Offener Brief: Sind Sie wirklich so sicher, Herr Lobo?

Lieber Sascha Lobo,

ich schätze Sie sehr. Ihre Fachkunde und Ihre Meinung. Laut „Meedia“ kommen Sie jetzt zu dem Ergebnis: „Lobo: Kein Fake mit Guttenberg-Fans“.  Sie führen vier Indizien an, die mich aber mehr verwirren als überzeugen.

Zu Indiz 1. Sie vergleichen das Wachstum der Facebook-Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“ mit dem Wachstum der Fanpage von „Germany’s next Topmodel“. Der Vergleich hinkt. Die Guttenberg-Seite ist in unglaublichem Tempo auf 580.000 Likes gestiegen, die Topmodel-Seite nur auf 75.000. Die Gruppe des Ex-Verteidigungsministers hat also noch unvermindert weiter gemacht, als den Pro-7-Schönheiten längst die Luft ausgegangen ist. Eine Rakete, die zum Mond fliegen kann, erreicht deswegen noch lange nicht den Mars. Was beweist der Vergleich also? Nichts. Im Gegenteil. Die Model-Fanpage kann mit einem Klick-bringenden Spiel aufwarten. Spiele sind bekanntlich die größten Magneten für neue Fans.

Zu Indiz 2. Ihre Anfrage an Facebook. Deren Techniker haben ihnen mitgeteilt, dass „da und dort“ Fakes dabei sein „könnten“. Haben Sie eine andere Antwort erwartet? Man muss sich nur ein paar Minuten auf der Seite tummeln, um gefälschte Accounts zu entdecken. Das Wörtchen „könnte“ ist da schon ziemlich untertrieben.

Zu Indiz 3: die Recherchen des Journalisten Marcus Schwarze von der Rheinzeitung. Er hatte von den Machern der Guttenberg-Gruppe kurzzeitig Zugang zu Statistiken der Seite erhalten. Herr Schwarze fand heraus, dass die Statistiken das Wachstum belegen. Auch die regionale Verteilung der Fans ist logisch. Ok – aber das ist nie in Frage gestellt worden. Der entscheidende Punkt ist: Wie gelang es den Machern, aus dem Stand Hunderttausende von „Gefällt mir“-Klicks zu generieren? Wie ist das möglich? Eine Frage, die auch die Recherche von Herrn Schwarze nicht beantworten kann.

Als Indiz 4 führen Sie die Entwicklung der digitalen Gesellschaft an. Nichts gegen einen soziologischen Ansatz. Ihn zu belegen, würde aber eine mehrjährige Doktorarbeit erfordern.

Mich machen weiterhin folgende Punkte stutzig:

1. Woher kamen die ersten 100.000 bis 200.000 Klicks für die Seite? Also jene Zahl, die nötig war, um die Gruppe in die Medien zu bringen. Das hat – meines Wissens nach – bisher niemand untersuchen können.

2. Warum produzieren 580.000 FB-Fans nur ein paar Hundert Demonstranten? Wenn das stimmen sollte, ist Facebook als Marketing-Tool unbrauchbar.

3. Warum zählte die Website bis zum Wochenende angeblich 580.000 Menschen – und stagniert seit den erfolglosen Demos (im Moment bei 587.000)?

Für mich zeigt der Fall, wie manipulativ der „Gefällt mir“-Button bei Facebook ist. Jeder, der ihn drückt, wird als Fan gezählt. Auch wenn er auf der Seite exakt die gegenteilige Position bezieht. Und nicht nur das. Auch jeden Artikel, den ein Mitglied „teilt“, erhöht die Zahl der Fans. Wie auch jeder Kommentar, den er verbreitet. Das heißt: Eine Person kann schnell Dutzende von „xy Personen gefällt das“ erzeugen. Liegt hier die logische Erklärung?

Noch eine persönliche Anmerkung. Ich gehöre weder zu den Guttenberg-Anhängern noch zu dessen Gegnern. Mich interessieren lediglich die Antworten auf die obigen Fragen. Weil sie für uns Journalisten wichtig sind.

Herzlichst, Ihr Peter Berger

März 8, 2011

Geschrieben von:

Kategorie: Medienblog

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Kommentare (3)

barbara

März 9th, 2011 at 11:33    


Vielen Dank für diese Ausführungen. Ich sehe es auch so, dass sämtliche *Indizien* ganz klar aussagen, dass die Zahl völlig unrealistisch ist – technisch nachweisen konnte man bisher weder das eine noch das andere. Die Kurven halte ich für absolut nichtssagen. Ich kann da Herrn Lobos Ausführungen auch nicht folgen.

B. Mat

März 9th, 2011 at 14:25    


3er Formel

a. Facebook ist als Marketing Tool unbrauchbar.
b. Viele der Leute auf Facebook haben kaum Erfahrung mit dem Internet (Unterstellung)
c. Der Rest sind Fake Accounts.

Hans Lutz Oppermann

März 9th, 2011 at 16:10    


Sehr treffende Fragen. Mich hat die Antwort von SL nicht überzeugt, schade, dass er nicht den Biss hat das Angefangene zu Ende zu bringen. Nicht das ich davon ausgehe, dass der Ausgang zwangsläufig heißt, das ganze ist ein Fake gewesen, aber in Ägypten haben die Leute via FB Demonstartionen auf die Beine gestellt – hier scheint die Motivation der GB-Jünger nicht so groß zu sein. Und es gibt noch zu viele offene Fragen. Eine neues kollaborativ zu beantwortendes Projekt!

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