Strategisch gesehen: Lasst uns BuzzFeed wagen
Ihre Überschriften sind lang und schrill, ihre Artikel kurz und bunt. Leser lieben BuzzFeed. Und wir Journalisten? Rümpfen die Nase. Bis wir die Washington Post lesen …
Kennen Sie den Wonkblog der Washington Post (Link hier)? Lassen Sie uns einen Blick auf die Startseite werfen:
Sofort fallen die langen, ungewöhnlich getexteten Zeilen auf: „This Walmart worker went from temp to store manager. Here’s why that’s so tough.“ Eine Geschichte über den US-Notenbankchef Ben Bernanke ist betitelt: „Bernanke: I saved the economy and all I got was this custom baseball card.“
Zeilen, die der BuzzFeed-Redaktion entstammen könnten. Wenn auch nicht ganz so schrill. Das Beste daran: Die Überschriften fesseln die Leser der Nachrichtenseite. 2011 war Wonkblog das erfolgreichste Blog auf Washington Post (Link zum Wonkblog-Erfinder Ezra Klein hier).
Elegant verpackte Artikel
Wer auf die Headline klickt, wird zum Artikel geleitet. Er unterscheidet sich erheblich vom BuzzFeed-Stil. Lange Geschichten, verfeinert mit Bildern, Grafiken und Videos. Wie man es von Washington Post (WashPo) erwarten würde. Viele hochwertige Informationen werden geliefert, elegant verpackt.
Der Erfolg des Wonkblogs hat die Journalisten beflügelt, nun auch mit Infohäppchen zu experimentieren. Im Oktober 2013 starteten sie „Know More“ (Link hier). Die Macher erläutern ihr Anliegen so: „At Know More, our job is to give you a place to start. Each post is a picture, chart, video or quote that, we hope, will fascinate you …“ (Link zu Erläuterung hier).
Die Washington Post ist kein Einzelfall. In den USA verwenden eine Reihe von Nachrichtenseiten den BuzzFeed-Stil. Zum Beispiel das Technikportal „The Verge“ (Link hier) oder der „Business Insider“ (Link hier). Oder in Großbritannien „Mail Online“, eine der erfolgreichsten Nachrichtenseiten im Netz (Link hier). „Mail Online“ bricht mit seinen Headlines alle journalistischen Regeln, die wir seit Jahren lehren.
Was folgt daraus?
In meinen Online-Workshops zum Thema Webtexte (Link hier) wage ich stets ein Experiment. Die Teilnehmer betexten eine Geschichte erst mit klassischen Headlines und Teasern. Danach wird die Geschichte im BuzzFeed-Stil verpackt. Am Ende stimmen wir ab, welche Ergebnisse uns am besten gefallen. Es sind zu rund 90 Prozent die BuzzFeed-Geschichten. Ein eindeutiges Urteil, das selbst gestandene Zeitungs- oder Magazinredakteure erstaunt. Für mich lautet das Fazit: Lasst uns mehr BuzzFeed wagen. Es geht auch seriös.
Kommentare
No Comments
Schreiben Sie einen Kommentar