Analyse: Der Fall Guttenberg wird zu einem Fall Facebook

Das Rätsel um die vielen Guttenberg-Fans weckt auch Zweifel am Geschäftsmodell von Facebook: Was sind 550.000 Anhänger wert? Eine Analyse.

Zu Erinnerung. Nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers tauchte bei Facebook eine Seite auf mit dem Titel „Wir wollen Guttenberg zurück“. Ihr Gründer: luggge@hotmail.com.

Das Wachstum der Gruppe widerspricht jeder Logik und Erfahrung. Innerhalb von Tagen schlossen sich angeblich Hunderttausende von Menschen an. Zweifel an der Seriösität der Zahl kamen auf.

Massenproteste gescheitert

Ein aktuelles Indiz: die gescheiterten Massenproteste an diesem Samstag. Die Gruppe hatte ihre Anhänger (und den Rest der Republik) zu Pro-Guttenberg-Demonstrationen in Deutschland aufgerufen. Doch nur im fränkischen Heimatdorf des Politikers, in Guttenberg, schlenderten rund 1000 Menschen über die Straßen. Demos wurden mangels Masse abgesagt; in einigen Großstädten erschienen nur Grüppchen.

Wie kann das sein? Angeblich 550.000 engagierte Fans bei Facebook – aber nur ein paar Hundert im realen Leben?

Hinweise auf Facebook-Börsengang

Die Diskrepanz verstärkt nicht nur die Zweifel an der Zahl der Facebook-Fans. Zur Geschichte hinter der Geschichte entwickelt sich ein anderes Thema. Ein Thema von internationaler Bedeutung. Denn es geht um das Geschäftsmodell von Facebook. Die entscheidende Frage lautet: Was sind 550.000 Facebook-Fans wert? Im realen Geschäftsleben?

Der Hintergrund. In der Finanzbranche gehen seit Wochen Gerüchte um, dass Facebook nächstes Jahr an die Börse geht. Investoren reißen sich um eine Beteiligung an dem Netzwerk, das in wenigen Jahren mehr als eine halbe Milliarde Nutzer gewonnen hat. Auf 60 Mrd. Dollar wird der Börsenwert des Unternehmens geschätzt.

„Like“-Button spielt zentrale Rolle

Wie soll Facebook diese gigantische Summe je wieder einspielen? Eine zentrale Rolle spielt der „Like“-Button. In Deutschland heißt er „Gefällt mir“. Für Laien mag es kaum vorstellbar sein, dass ein so kleiner Knopf so wichtig sein soll. Aber er ist es. Diese kleine Schaltfläche ist ein Grund, warum Facebook Milliarden wert sein soll.

Dieser Knopf leidet durch die Guttenberg-Affäre. Es drängt sich die Vermutung auf, dass „Likes“  manipuliert werden könnten.

Freunde empfehlen Freunden

Warum ist der „Like“-Button so wichtig? Gehen wir einen Schritt zurück – zu Google. Dessen Gründern gelang ein genialer Scoop: eine Suchmaschine, die wichtige von unwichtigen Webseiten unterscheiden kann. Deshalb nutzen wir Google. Weil wir den Empfehlungen von Google trauen. Und weil wir Google nutzen, schaltet die Wirtschaft Anzeigen auf deren Ergebnisseiten. Ein Milliardengeschäft.

Seit mehr als zehn Jahren dominiert Google den Markt. Doch mit Facebook ist ein ernsthafter Konkurrent entstanden. Denn auch Facebook kann mit Empfehlungen aufwarten. Empfehlungen, die eventuell noch präziser sein könnten als Google-Treffer. Google nutzt eine ausgefeilte Technik, um wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden. Bei Facebook erledigen dies Menschen, in dem sie den „Gefällt mir“-Button drücken.

Facebook vs. Google

Ein Beispiel. Ich möchte eine neue Kamera kaufen. Nun kann ich bei Google nach Kameratests suchen, ein Modell auswählen und kaufen. Das funktioniert oft sehr gut. Aber kann ich einem Kameratest auf einer Website wirklich trauen?

Im Vergleich dazu eine Suche bei Facebook. Dort verbreiten meine Freunde ihre Empfehlungen. Und meinen Freunden traue ich am meisten. Ist mein Kumpel Hubert, ein Hobby-Fotograf, von einer bestimmten Kamera überzeugt, werde ich es wohl auch sein. Und kaufe sie.

Empfehlungsmarketing nennt sich dieses System. Hier entwickelt sich Facebook zum Marktführer. Ein Gigant mit mehr als einer halbe Milliarde Mitglieder.

Was sind 550.000 Likes wert?

Doch das Geschäftsmodell funktioniert nur, wenn der „Like“-Button nicht mißbraucht werden kann. Sonst sind 550.000 „Gefällt mir“ wertlos für Anzeigenkunden. Denn sie wollen echte Zielgruppen erreichen, keine virtuellen. Mit der Seriösität des „Like“-Button steht (und fällt) eine zentrale Säule des Geschäftsmodells von Facebook.

Deshalb, liebe Facebooker, erklärt uns bitte, wie die Guttenberg-Gruppe zu ihren vielen Anhängern gekommen ist. Damit wir den „Likes“ wieder vertrauen können.

März 6, 2011

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Kategorie: Medienblog

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