Strategisch gesehen: Paywalls sind keine weißen Ritter

Angeführt vom „Spiegel“ brechen auch in anderen deutschen Verlagen die Gräben zwischen Print und Online wieder auf. Paywalls im Web sollen die sinkenden Anzeigenerlöse von Zeitungen und Zeitschriften kompensieren – eine Logik, mit der sich Medienhäuser ins digitale Abseits katapultieren könnten.

Sie werden als leuchtende Beispiele genannt: die (angeblich) erfolgreichen Paywalls von Financial Times (FT), Wallstreet Journal (WSJ)  und New York Times (NYT). Für ft.com und wsj.com scheinen die Erfolgsmeldungen zuzutreffen, bei nytimes.com sind Zweifel angebracht. Die positiven Meldungen, die die New York Times zum Thema Paywall veröffentlicht, kann man glauben – oder auch nicht (mehr Infos hier). Selbst wenn sie zuträfen, heißt das noch lange nicht, das Paywalls  anderen Medienhäuser dienlich sein müssen.

Financial Times und WSJ sind Arbeitswerkzeuge

Ich habe als Chefredakteur Electronic Media die FT Deutschland mit aufgebaut und kenne daher die Situation bei internationalen Wirtschaftstiteln recht gut. FT und WSJ sind Weltmarken, die international agierende Manager lesen müssen. Die Zeitungen und Websites sind Arbeitswerkzeuge, oft bezahlt von Firmen. Das Geschäftsprinzip von FT und WSJ ist einmalig, mit der Situation anderer Verlagshäuser nicht vergleichbar. Gefährlich, wenn aus den Erfahrungen von WSJ und FT der Schluss gezogen wird: Paywalls funktionieren.

Peanuts mit lokalen Paywalls

Ein Blick nach Deutschland. Am besten aufgestellt ist im digitalen Newsbereich der Axel-Springer-Verlag. Oder besser dessen Flaggschiffe „Bild“ und bild.de. Im ersten Quartal 2012 trug der Digital-Bereich mehr als die Hälfte zu den Werbeerlösen bei. Vorstandschef Mathias Döpfner sagte: „Wir haben unser Versprechen eingelöst, dass das Online-Geschäft tatsächlich einen ordentlichen Beitrag zum Gewinn leisten wird.“ Geht es jedoch um Zahlen, wie viel Geld die Paywalls beim „Hamburger Abendblatt“ oder bei der „Berliner Morgenpost“ einspielen, verstummen die Manager. Unter der Hand ist zu hören, das die Einkünfte minimal seien. Paid Content und klassische Nachrichten – es klappt einfach nicht. Geschickt hört sich hingegen der Plan ab, ab 2013/14 die Höhepunkte der Fußball-Bundesliga früher als andere Medien digital anzubieten. Dafür zahlt Springer einen Millionenbetrag an den Deutschen Fußball Liga.

Emotion + Exklusivität = Erfolg

Wer den Unterschied zwischen der Content-Gattung „Lokalnachricht“ und Content-Gattung „Bundesliga“ analysiert, kommt bei der Frage, ob eine Paywall funktionieren könnte, einen großen Schritt weiter. Im Web verkaufen sich exklusive Inhalte, die starke Emotionen auslösen. Beides trifft auf die Bundesliga zu (wie man traurigerweise gerade an Herta BSC vs. Fortuna Düsseldorf gesehen hat). Auf Lokalnachrichten trifft die Kombination „Emotionen“ und „Exklusivität“ nur selten zu. Der Bericht über den Waldspaziergang der Schulklasse weckt nur bei wenigen Menschen große Gefühle. Und über den (emotionalen) Dreifach-Mord im Treppenhaus wird eine lokale Website wohl kaum exklusiv berichten können. Das bedeutet: Nur für sehr wenige Inhalte macht eine Paywall Sinn (wenn überhaupt).

Eine pauschale Antwort für oder gegen bezahlte Inhalte wäre unseriös. Auch wenn sie immer wieder von der Branche erwartet wird.  Sicher ist nur: Wer eine erfolgreiche Website hinter die Bezahlschranke zwingt, riskiert deren Existenz. Sie wird für Anzeigenkunden uninteressant. Dass mit der Paywall die sinkenden Einnahmen bei Zeitung oder Zeitschrift kompensiert werden können, ist eine sehr gewagte These.

Beendet die Kleinstaaterei in Redaktionen

Wäre es nicht viel vernünftiger,  das Augenmerk auf die Reichweite zu legen? Und die (noch immer existierenden) Mauern in Verlagen endgültig einzureißen statt zu verstärken? Print und Online arbeiten in den meisten Verlagen nebeneinander her. Manchmal auch gegeneinander. Die selbe Nachricht wird von zwei Redaktionen bearbeitet. Jeder Handgriff wird doppelt gemacht, um am Ende zwei nahezu identische Versionen für Print und Online zu generieren. Was für eine Verschwendung von Zeit, Intelligenz und Geld. Hier können schlankere Strukturen entstehen, die Ressourcen sparen. Und die es Redakteuren und Verlagsleuten ermöglicht, neue Geschäftsfelder abseits der Reichweite voranzutreiben – zum Beispiel mobile Dienste, bei denen Paid Content funktioniert.

Technisch wachsen Print und Online doch schon zusammenwachsen. Die Firma LG produziert inzwischen in Serie ein flexibles Display, das zum Nachfolger der Tablets werden könnte (Link siehe hier). Was noch immer fehlt, sind redaktionellen Strukturen, um exklusive und emotionale Inhalte für solche Geräte anzufertigen. Das geht nur, wenn die Kleinstaaterei in Redaktionen endlich ein Ende hat.

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